Iran Teil 3

Hallo zusammen


Mit dem Nachtbus sind wir von Isfahan in den Nordwesten nach Kermanschah gereist, voller Vorfreude wieder in die Pedalen zu treten. Von Kermanschah fuhren wir bei deutlich kühlerem und angenehmerem Klima durch grüne Felder und näherten uns den schneebedeckten Gipfeln Kurdistans. Kurdistan ist eine Provinz Irans; die Kurden sind eine der grössten Volksgruppen der Welt ohne eigenen Staat (sie leben verstreut im Iran, Irak, Syrien und der Türkei). Wir haben die Kurden in den nächsten Wochen als sehr traditionsbewusste, stolze, herzliche, lebensfrohe und gastfreundliche Menschen erlebt. Sie sprechen ihre eigene Sprache, Kurdi, von dem wir schnell die wichtigsten Worte aufgeschnappt haben: Neben „Hallo“, „vielen Dank“, „Wassermelone“ auch ganz wichtig: „ich platze und mag wirklich nichts mehr essen“ („Bra Rottachim“). Auch tragen sie ihre eigene Kleidung, die wir natürlich auch anprobiert haben. Insbesondere der kurdische Herrenanzug mit baggy Pants („Pantol“) und schicken Nadelstreifen hat es uns angetan. Es war schön zu sehen, dass auch junge Männer diese Tradition sehr stilbewusst aufrecht erhalten.


Wenn wir nicht in unserem geliebten Zelt übernachtet haben, haben wir gerne eines der zahlreichen Angebote zu Dusche, Abendessen, netter Gesellschaft und Teppichlager angenommen. So haben wir in den vergangenen drei Wochen zahlreiche Familien (denn man zieht bei seiner Familie erst aus, wenn man eine Neue gründet, so ist man praktisch immer bei einer Familie zu Hause) aus unterschiedlichsten Gegenden und Schichten kennengelernt: Wir haben in einfachsten Bauerndörfern in der Moschee geschlafen, haben mit Englischlehrern diskutiert und Tischfussball gespielt, mit Teenagern Wasserpfeife geblubbert und bei sehr wohlhabenden Ärztefamilien in schicken Wohnzimmern (die so gross sind wie unsere ganze Wohnung an der Arbenzstrasse) die Perserkatze gestreichelt. Diese Begegnungen waren sehr unterschiedlich und bereichernd und nur dank unserer langsamen, zeitoffenen und exponierten Reiseart überhaupt möglich. Nie haben wir am Morgen gewusst, wo wir am Abend übernachten werden, aber es kam immer gut. Denn wenn etwas alle Iraner eint, dann ist es ihre Offenheit, ihre Neugierde, ihre Spontanität und ihre Gastfreundschaft. Aber zwischendurch haben wir auch die Ruhe und Zweisamkeit im Zelt gesucht, denn die Radeltage waren oft kräftezehrend.


Auf unserem Weg in den Norden sind wir durch die engen Täler des Zagros-Gebirges gestrampelt, gefühlt meistens aufwärts. Ein Höhepunkt, sowohl in Bezug auf Landschaft und Natur, aber auch in Bezug auf Anstrengung, war das Howraman Tal. Entlang von Stauseen und an das Gebirge geklatsche Dörfern sind wir über Bergstrassen auf- und ab- und wieder aufgestiegen. Berge und Pässe scheinen uns anzuziehen... Belohnt wurden wir mit verkehrsarmen Strassen, wunderschönen Aussichten, Glücksgefühlen auf den Gipfeln und unerwarteten Bekanntschaften: Einmal wurden wir von einer grossen Männergruppe aus Teheran regelrecht überfallen. Nachdem sie über einige Meter versucht haben, unsere Räder hochzuschieben und das als zu ermüdend wahrgenommen haben, veranstalteten sie kurzerhand ein kleines Musik- und Tanzfest. Wir haben unseren Augen und Ohren kaum getraut, mitten in der Pampa. Nachdem wir alle unsere Tanzbeine geschwungen haben, gab es gefühlte tausend Selfies und eine grosse Wassermelone für alle. Ein richtiger Aufsteller am Steilhang. So schnell sie gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder weg. Ein unwirklicher Tagtraum.


Am anstrengendsten Tag konnten wir das nette Angebot eines Lastwagenfahrers zur Mitfahrt nicht ablehnen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits 1800 Höhenmeter bewältigt und standen vor einer Haarnadelkurvensteilwand, die nochmals 1200 Höhenmeter bedeutet hätte. Die kurvenreiche Fahrt nach oben haben wir ebenso genossen wie der kleine Sohn des Fahrers, den es hinter der Windschutzscheibe hin- und her geworfen hat. Die Enttäuschung war gross, als wir am höchsten Punkt dankend ausgestiegen sind und die Einladung zum Abendessen ausschlagen mussten. Aber diese Abfahrt wollten wir uns nicht nehmen lassen. Mit Blick auf die Gipfel, welche den Iran vom Irak trennen, sind wir ins nächste Tal gebraust.


Nach einem mehrtätigen Stopp in Marivan sind wir in Richtung Saqqez weiter gefahren, haben  Papa Moll getroffen, eine Wassergrotte besucht und beobachtet, wie die Iraner ihre Autos im Fluss waschen. Energie für diese vielen Kilometer haben wir unter anderem aus den unglaublich leckeren Früchten, die es überall am Strassenrand zu kaufen gibt, geschöpft. Gurken zählen hier übrigens auch als Frucht und werden gerne mit Orangen und Datteln zusammen als Dessert aufgetischt – gewöhnungsbedürftig. Auch Kalaneh gab es öfters: Eine sehr leckere und frisch zubereitete, kurdische Brot-Frühlingszwiebel Spezialität.


Der heftige Regenfall von vor ein paar Wochen hat der Natur gut getan: Die Hänge waren saftig grün und die Obstbäume in voller Blüte. Und auch der Urmia-Salzsee, an dem wir mehrere hundert Kilometer entlang gefahren sind, hatte so viel Wasser wie schon lange nicht mehr. Zurzeit sind wir in Tabriz, einer der grössten (und chaotischsten) Städte des Irans. Der Verkehr ist richtig übel, der alte Bazar dafür umso hübscher. Auch das in den Stein gebaute Höhlendorf Kandovan ist ein Besuch wert, insbesondere in der Ramadanzeit, da es kaum Touristen hat. Seit dem 6. Mai ist hier Ramadan angesagt / vom Regime verordnet. Es fasten jedoch weniger Menschen als wir angenommen haben und Reisende sind sowieso ausgenommen. So haben wir auf der Strasse immer problemlos etwas zu Essen und Trinken gefunden. In den Städten merkt man die Ramadanzeit am stärksten: Hier sind alle Restaurants und Cafés geschlossen. Dafür herrscht nach Sonnenuntergang Ausnahmezustand.


Wir machen uns nun auf in Richtung Armenien. Viel wissen wir noch nicht von diesem Land, aber laut maps.me, unserem Navigationsapp, wird es wieder heftig hügelig. Auf bald.

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Kommentare: 1
  • #1

    Pirmin (Sonntag, 11 August 2019 20:03)

    Die Bilder und Geschichten machen Fernweh +
    Richtig so.