Armenien

Barev! 


Die letzten drei Wochen haben wir Armenien von Süd nach Nord gequert. Armenien ist ein kleines Land (etwa so gross wie Belgien) im Südkaukasus. Im jungen Staat (Unabhängigkeit 1991 nach Zerfall der Sowjetunion) wohnen heute gerade mal drei Millionen Menschen, während rund sieben Millionen Armenierinnen und Armenier in der weltweiten Diaspora leben. Spezielle Vorstellung, dass sich noch doppelt so viele Schweizer auf der ganzen Welt verstreut befinden würden...


Der erste Eindruck von Armenien war bergig. In den ersten Tagen haben wir zahlreiche Pässe überwunden, wobei uns ein iranischer Lastwagenfahrer netterweise auf den 2500 Meter hohen Meghripass hinaufchauffiert hat. Den Rest haben wir mit viel Schweiss selbst gemeistert und wurden mit rasanten Abfahrten und hammer Aussichten über die grünen Täler belohnt. Hier sind wir definitiv wieder im Frühling angekommen und die knallbunten Magerwiesen haben uns teilweise fast geblendet. Was von weitem aussah wie ein Schneefeld entpuppte sich beim Näherkommen als eine Wiese voller „Margeritli“ :). Auf den höchsten Hügeln und in den entlegensten Tälern thronen tausend Jahre alter Klöster, die es uns mit ihren schlichten Innern angetan haben. Ein starker Kontrast zu den farbigen und aufwändig verzierten Moscheen des Irans. 


Eindrücklich waren auch die kolossalen Bauten aus der Sowjetzeit: grosse, graue Wohnblöcke mit einem herben Charme und viele Begegnungsräumen (einzige Farbtupfer waren die zahlreich gespannten und gut behängten Wäscheleinen), stillgelegten Fabriken und heroischen Denkmäler. 


Über Goris sind wir in die Weinbauregion Areni gefahren. Dort wird der Wein der gleichnamigen Traube in jedem Garten angepflanzt und mit mässiger Qualität in zwei und fünf Liter Petflaschen auf der Strasse angeboten. Nebst diesen rudimentären „Weinhäusern“ haben wir auch ein, zwei Weinboutiquen besucht, die richtig gute Tropfen produzieren. In dieser Region hat man auch erst 2007 einen Fund gemacht, der darauf hinweist, dass hier bereits vor über 6000 Jahren (!) Traubensaft vergoren wurde. Diese Entdeckung macht Armenien zum ältesten bekannten Weinland. Die alten, klapprigen Ladas waren oft ziemlich flott unterwegs (ob mit oder ohne Wein im Tank bleibt offen), aber trotzdem fühlten wir uns um einiges sicherer als im Iran. 


Danach ging es weiter in Richtung Yerevan, die Hauptstadt Armeniens. Auf dem Weg sind wir nochmals Andreas begegnet. Die letzten zwei Tage sind wir zu dritt, maulbeerenstibitzend am Fusse des 5000+ Meter hohen, schneebedeckten Ararats in die Stadt geradelt. Der Ararat ist ein heiliger Berg für die Armenier. Zu ihrem Bedauern befindet sich der ruhende Vulkan auf türkischem Boden. 


Yerevan war seit Kapstadt (sieben Monate) die erste grosse Stadt mit viel (alternativer) Kunst und Kultur, alter Architektur, netten Cafés, Pärken und gutem Craftbeer. Wir haben es genossen! Ausserdem gibt es noch ein sehr gutes, aber auch schockierendes und bedrückendes Museum über den Genozid an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unfassbar dieses Leid und was Menschen einander antun können. Auch krass, dass nur ein paar wenige Länder diesen Genozid anerkennen, obwohl die Beweislage erdrückend ist. So schwer die Vergangenheit noch auf Armenien lastet, so erfreulich war es zu spüren, dass seit der „Revolution“ letzten Jahres grosse Zuversicht und Aufbruchstimmung im Land herrscht und der neue Regierungschef Nikol Paschinjan der korrupten Elite des Landes ein Ende zu setzten scheint. Eine willkommene Abwechslung zu den vielen berechtigten Klagen die wir über die Regime in den afrikanischen Ländern und im Iran gehört haben.


Nach drei Tagen in Yerevan sind wir wieder in die Pedalen getreten, nur um schon kurze Zeit darauf auf einem von Holländern geführten Luxuscamping mit Pool und schöner Küche zu stranden. Drei weitere Tage „dolcefarniente“, dann fühlten wir uns definitiv ausgeruht genug um den Anstieg zum grossen Sevansee in Angriff zu nehmen. Nebst einem schön auf einer Halbinsel gelegenen Kloster, ist da auch die armenische Riviera mit Jetskis und dickbäuchigen armenischen Männern (allgemein gehören die Armenier in ihren Trainern unserer Meinung nach nicht zu den bestaussehendsten Menschen, sorry).


Gegessen haben wir in ganz Armenien sehr gut. Ein Highlight waren die feinen Forellen und gedämpften Flusskrebse rund um den Sevansee. Aber auch Lahmajun (hauchdünne, armenische Hackfleischpizza), Shashlik (gegrillte Fleischspiesse) und die frischen Salate mit Dill haben uns gemundet. 


Die letzten Tage haben wir wandernd im Dilijan Nationalpark und radelnd im Debedtal verbracht. Es waren drei intensive und tolle Wochen in diesem kleinen, vielseitigen Land. Armenien hat kulturell und landschaftlich viel zu bieten und auch die Menschen sind nett, aber eher zurückhaltend. In vielen anderen Ländern waren wir den Menschen um einiges näher gekommen. Dies hat nebst der armenischen Mentalität auch mit einer grossen Sprachbarriere und einer grösseren Zurückhaltung unsererseits zu tun. Wir waren es aus Afrika und insbesondere dem Iran noch gewohnt, dass viele Menschen proaktiv auf uns zukommen.


Nächster Stopp ist Georgien, wir sind gespannt und freuen uns auf Besuch aus der Schweiz. Liebe Grüsse und auf bald!

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Kommentare: 4
  • #1

    Johanna (Sonntag, 23 Juni 2019 22:37)

    Und wieder entführt ihr uns in eine ganz neue Welt! Vielen Dank. Das sind ja wirklich ganz tolle Landschaften und die kleinen wohlproportionierten Kirchen und Klöster passen wunderbar in die unendliche Weite. Und dann all die Berge mit ihren Pässen und ihr radelt einfach immer weiter, unglaublich!!! Georgiern wird sicher auch ganz schön, ich wünsche euch von Herzen weiterhin viele wunderbare Erfahrungen unterwegs.
    Herzlichst Johanna

  • #2

    Johanna (Sonntag, 23 Juni 2019 22:39)

    P.S. was ist das für eine schönes "Stein-Müsterli"? Ist es ein Bodenbelag?

  • #3

    Sigmund Blank (Dienstag, 09 Juli 2019 14:08)

    Liebe Leute!Wir hatten uns Ende März in Elizabeth House getroffen vor Eurem Umzug ins Hotel und Eurem Trip nach Sansibar.Wie ich wieder Ihr von
    Durchfall geplagt,habt Euch aber nicht groß bremsen lassen.Ich bin dann zurück nach Hamburg,wo ich prompt das Denguefieber auskurieren mußte.Eure Gesundheit ist aber offenbar unverwüstlich.Möge es auf Eurer unglaublichen Reise bis zum Schuß so bleiben.Wollt Ihr überhaupt noch zurück in die kleine Schweiz?Toll auch Eure CO2-Bilanz auf dieser so mich world-Reise.Herzliche Grüße,Sigmund

  • #4

    Sigm6nd (Dienstag, 09 Juli 2019 14:10)

    P.S. Das Treffen war in Dar es salam.Sorry wegen der automatischen Textkorrekturen.Good luck.
    Sigmund