Eastern Cape

Ho ho ho :)


Wir schulden euch und all den lieben Menschen des Eastern Capes Bild und Text zu den unvergesslichen zwei Wochen im abgelegenen Ostkap. 

Ohne konkrete Erwartungen und Vorstellungen haben wir uns auf die mit Billy, Johnny und Co. recherchierte Route aufgemacht.


Der erste Stopp war zugleich auch der letzte touristisch Erschlossene: Addo, der tolle Nationalpark mit seinen über 700 Elefanten. Wir haben unsere Räder zwangsweise (keine Velos im Park erlaubt) gegen einen 4x4 mit sympathischem Guide getauscht und haben einen Tag lang die riesigen Dickhäuter aus nächster Nähe beobachten dürfen. Auch die Kudus, Zebras, Landschildkröten und Warzenschweine waren unterhaltsam. Wir wussten vor unsere Reise nicht, ob wir überhaupt auf Safari gehen werden, aber haben dieses Erlebnis definitiv nicht bereut: Diese Tiere in freier Wildbahn zu sehen, ist doch etwas ganz Anderes als die Zooerfahrung. 


Danach begann die wunderschöne Strapaze. Wir sind abseits von geteerten Strassen und kalten Getränken die Berge hoch und runter gestrampelt, geholpert und geschüttelt. Hatte es keine grossen Steine auf der Strasse, handelte es sich meistens um sogenannte „Wellblechpisten“, von denen wir im Vorfeld nur gelesen haben: Die Federung der 4x4’s formt sehr unsanfte Dellen in den harten Sandboden und oft gab es keine Ausweichmöglichkeiten. Dies war der erste grosse Härtetest für unsere Fahrräder — und sie haben ihn mit Bravour bestanden. Geholfen hat, dass wir den Druck in unseren Schläuchen verringert und so eine Art Stossfederung erzeugt haben. Wir hätten nie gedacht, dass das einen so grossen Unterschied macht!


So anstrengend es war, so sehr haben wir es auch genossen: Die Aussicht von einem hart erkämpften Pass sieht immer um ein Vielfaches besser aus. Die Landschaft war wieder trocken und karg und erinnerte uns an die Kleine Karoo, welche wir vor der üppigen Garden Route gequert haben. Nur waren wir dieses Mal noch abgeschiedener, die Täler waren weiter und die Strassen endloser. An den meisten Tagen sind wir nur einer handvoll Menschen begegnet. Dafür haben wir umso mehr Tiere gesehen: riesige Baboonbanden haben die Strassen vor uns gekreuzt, diebische Velvet-Monkeys haben sich an den Früchten vergriffen, störrische Kühe haben uns den Weg versperrt und ein Esel, der uns auf leisen Hufen gefolgt ist, hat uns mit seinem überlauten IAAH fast von den Rädern geschmissen. Für die Kamera zu flink waren die Warzenschweinfamiliien, Springböcke und Antilopen.


Die Route, die wir wählten, führte uns fernab von den geteerten Strassen und somit auch Dörfern, quer durch die Farmlands. Uns hat man vorab gesagt, dass wir ungeniert bei den Farmern anklopfen können und das Mindeste was wir kriegen würden, wäre Wasser und ein Platz für unser Zelt. So war es dann auch beim ersten Versuch: ein wortkarger, einfacher Bauer hat uns auf seinem verlassenen und ziemlich heruntergekommenen Grundstück campieren lassen. 

Wie wir ab der 2. Nacht erfahren durften, war dies eine Ausnahmeerscheinung. Denn die Gastfreundlichkeit und Grosszügigkeit der Bauern des Ostkaps scheint grenzenlos zu sein und hat uns jedes Mal von Neuem überrascht und gerührt. So wurden wir immer ins Haus gebeten, wo uns ein schönes Gästezimmer meist mit eigenem Bad erwartete, ein reichhaltiges, feines und fleischlastiges Abendessen serviert wurde und wir oft bis spät in die Nacht diskutiert und uns ausgetauscht haben. Jedes Mal stiess unsere Geschichte auf Verblüffung und Bewunderung. Und unsere Gastgeber haben unaufgefordert die nächste Nacht für uns organisiert. So wurden wir regelrecht von Hof zu Hof „weitergereicht“. Zum Abschied haben wir immer ein Lunchpaket mit auf den Weg gekriegt und zwei Mal auch eine kleine Starthilfe auf dem Pick-up, da die Strecke zum nächsten Host zu weit gewesen wäre. 


Mehr noch als die Gastfreundschaft und den Komfort haben wir an diesen Abenden die Unterhaltung und Diskussionen mit den (ausschliesslich weissen) Bauernfamilien geschätzt. Wir haben in dieser Zeit sehr viel über den Alltag, die Sorgen und Ängste sowie die Hoffnung dieser Menschen erfahren und somit eine Perspektive gewonnen, die uns sonst verwehrt geblieben wäre. Auf den ersten Blick könnte man schnell das Bild erhalten, dass die ignoranten, weissen Grossgrundbesitzer sich wenig für ihre schwarzen Angestellten interessieren und lediglich von deren Arbeitskraft profitieren würden. Uns hat sich ein differenzierteres Bild geboten. Die Bauern waren sehr engagiert und bemüht, das Leben ihrer Angestellten und deren Familien zu verbessern: So haben sie private Schulen gegründet, da die öffentlichen Schulen zu weit weg und/oder zu schlecht sind; geben ihren Angestellten zinslose Kredite, um auf eigene Beine zu kommen und behandeln ihre Mitarbeitenden fair und respektvoll. Oft sind sie allerdings mit strukturellen Problemen konfrontiert, welche sie sichtlich und nachvollziehbar frustrieren. So ist Alkoholismus ein grosser Missstand. Mitarbeitende erscheinen sturzbetrunken zur Arbeit (ein Farmer sah sich daher gezwungen, seine Angestellten jeden Montagmorgen routinemässig einem Alkoholtest zu unterziehen). Auf einer anderen Farm hat am selben Tag unserer Ankunft frühmorgens ein junger Mitarbeiter im Suff seinen Kollegen erstochen, weil dieser ihn im traditionellen Steckenkampf beim Xhosa Beschneidungsritual zu hart auf den Kopf geschlagen habe. Ein weiteres geteiltes Leid ist die Unfähigkeit der lokalen und nationalen Behörden. Die einst einwandfrei funktionierenden Elekritzitätswerke liefern an manchen Tagen stundenweise keinen Strom, die Strassen werden nicht unterhalten und andere Steine werden den Farmern in den Weg gelegt. Spätestens die Jahre unter Jacob Zuma haben die mit Mandela entstandene Euphorie verschwinden lassen und Rezension und Konsternation haben Einzug gehalten. 


Schön für uns zu sehen war aber, dass die meisten unserer Gastgeber trotzdem betroffen optimistisch waren und sich weiterhin engagieren, sich auch von den jüngsten Gesetzen nicht allzu stark aus der Ruhe bringen lassen (vor wenigen Wochen hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Enteignung von Farmgrundstücken ermöglicht) und hoffen, dass mit dem neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa Besserung kommt. Was uns zudem immer stärker bewusst wird, ist, wie schwierig es ist, mit den Xhosa und Zulus, dem „Schwarzen“ Südafrika in Kontakt zu treten. Das mag teilweise an unserer Route und Reiseart liegen, ist aber zu einem grossen Teil auch der nach wie vor krassen räumlichen, sprachlichen und kulturellen Segregation in Südafrika geschuldet. Die Gräben und Narben der Apartheid sind nach wie vor tief und Anzeichen nach Heilung gibt es zurzeit (noch) wenige. 


Kurzum, wir haben eine sehr schöne und spannende Zeit erlebt während wir das Ostkap von Südwesten bis Nordosten bereisten und freuen uns nun umso mehr auf Lesotho, das „Königreich des Himmels“, wo es nur 36 weisse Staatsbürger gibt und wir definitiv ins schwarze Afrika eintauchen können. Dazu nach Weihnachten mehr. Euch allen wünschen wir schöne Festtage! Wir zwei bekochen uns in einem Cottage in Clarens mit einem Festmahl!

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Kommentare: 2
  • #1

    Philipp und Barbara (Sonntag, 23 Dezember 2018 14:09)

    Hoi zäme
    Während es bei uns regnet, als wäre es nicht Weihnachten, scheint es bei euch heiss zu sein, als sei es auch nicht Weihnachten. Wir freuen uns trotzdem auf die Weihnachtstage und wünschen euch alles gute und grüssen euch herzlich.
    Philipp und Barbara

  • #2

    Johanna (Dienstag, 25 Dezember 2018 12:13)

    Und wieder nehmt ihr mich mit auf eure Reise, so toll. Eure Fotos sind genial schön und die Beiträge spannend und so informativ. Ganz herzlichen Dank! Wir gehen gleich mit Sack und Pack nach Basel zu meiner Schwester und Familie und es weihnachtet schon fest..... etwas Stress inklusiv... ;-). Euch schöne Tage unter der heissen Sonne, vielleicht kommt ja am abendlichen Feuer auch noch ein wenig Weihnachtsstimmung auf oder ihr macht einen Zulu oder XhosaTanz unter den Sternen.
    Ich umarme euch ganz fest, herzlich Johanna