Myanmar

Mingalabar!


Da waren wir – auf einem laut knatternden, wackligen Longtailboot, gekleidet in die obligatorischen und leicht schimmligen Schwimmwesten. Myanmar wir kommen. Kaum angelegt in Kawthaung, dem südlichsten Ort Myanmars, wird uns bewusst, dass hier ein anderer Wind weht. Was für einer werden wir in den nächsten gut zwei Wochen noch intensiv erfahren. Er duftet aber auf jeden Fall stark nach Betelnuss. 


Es scheint als hätten wir mit der Überquerung des Grenzflusses auch eine Reise in die Vergangenheit gemacht. Alles hier ist einfacher, ursprünglicher und durch das auch exotischer. Die Nähe zu Indien ist spürbar und das Lächeln in den Gesichtern sowie die Neugierde (insbesondere gegenüber dem jüngsten Familienmitglied) deutlich grösser. Was zudem gleich ins Auge sticht sind die vielfältig bemalten Gesichter: Aus Baumrinden gewinnen die Burmesen ein weisses Pulver namens „Thanaka“ und verschönern sich damit morgens Wangen, Stirn und Nasenspitz.


Wir machen uns auf die Suche nach dem „Immigration office“, um unsere Einreisestempel zu erhalten. Wir werden fündig, auch wenn wir es erst glauben, als wir die Stempel in unseren Pässen sehen. Denn die beiden Herren, die in einem unscheinbaren, verlotterten Büro sitzen, tragen ärmellose Unterhemden und Flipflops, und sehen damit nicht wirklich wie Grenzbeamte aus. Erst seit Ende 2015 ist der südliche Zipfel auf dem Landweg bereisbar (zuvor war die Gegend fast fünfzig Jahre lang vom Westen isoliert) und diese Einreiseerfahrung bestätigt uns, was wir im Vorfeld gehört haben: Es kommen immer noch kaum Touristen hierher. Auf dem Weg in den Norden wird uns auch bewusst werden, was einer der Hauptgründe dafür ist: Das Land ist sehr gross und langgezogen und die Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sind sehr zeitintensiv. So nehmen nur wenige den Weg von den bekannten Hotspots Myanmars im Norden (Bagan, Mandalay, Inle Lake) in den fernen Süden auf sich. Umso besser für uns!


Kawthaung ist eine sehr lebendige, vom Handel und der Fischerei geprägte Hafenstadt. Wir haben die drei Tage dort sehr genossen, haben das Treiben am Hafen beobachtet, die Märkte durchstöbert, Strände und Pagoden besucht. Danach begann unsere lange, aber kurzweilige Reiserei nordwärts. Von Kawthaung werden wir bis nach Hpa-An und von da aus über Myawaddy nach Thailand reisen. Für diese insgesamt rund 1‘180 Kilometer werden wir 40 Stunden in Bussen, Minivans und Bummelzügen verbringen (das ist fast ein stolzer 30 km/h Schnitt :)). Wer uns jetzt voreilig Rabeneltern schimpft, der hat Lou während diesen Reisen nicht gesehen. Für sie waren Reisetage Highlights. Nicht nur bekam sie die volle Aufmerksamkeit und Nähe von uns beiden, sie wurde auch von allen mitreisenden Burmesen unterhalten und bespasst. In Kombination mit den schönen Landschaften verflogen die Stunden im Nu und unser Reisewortschatz erweiterte sich um neue Worte wie „Mädchen“ (Meggele) und „süss“ (Chesuyade).


Die erste, kurvige und hüglige Etappe nach Tanintharyi führte durch Palmöl-, Gummibaum- und Betelnuss-Plantagen. Die Betelnusspalmen wurden gerade abgeerntet und deren Früchte am Strassenrand getrocknet. Einmal trocken geht die Reise einer Betelnuss wie folgt weiter: Die Nüsse werden geschält, gescheibelt, an den omnipräsenten Betelnussständen mit Tabak, gelöschtem Kalk und Gewürzen zu mundgerechten Häppchen gerollt, gekauft, gekaut und ausgespuckt. Die aufputschende Wirkung (oder der Tabak) scheint süchtig zu machen und so wird nach wie vor sehr fleissig gekaut und gespuckt, von Mann und Frau, jung und alt. Da helfen auch die Kampagnen des Staats nicht („for a spot of betel-nut I spit out my dignity...“).


In dem kleinen Dorf Tanintharyi haben wir zwei Nächte im einzigen Hotel des Orts verbracht und sind in das Dorfleben eingetaucht: Wir wurden spontan auf eine Hochzeitsfeier eingeladen (das Ehepaar trug übrigens auch Flipflops), haben die schönen Holzhäuser auf Stelzen bestaunt, den Schulkindern beim Auswendigschreien zugehört (am Abend werden mantraartig die immer gleichen Sätze wiederholt, es scheint pädagogischer Nachholbedarf zu bestehen) und den lokalen Bootsbau studiert. Mit Füssen und Händen kamen wir deutlich weiter als mit Englisch und liessen uns immer überraschen, wenn wir im Restaurant etwas bestellten. Burmesisch schnappten wir etwas Weniges auf (dank guten Eselsbrücken), aber die Sprache ist mit ihren langen Wörtern, der anspruchsvollen Aussprache und einer in unseren Augen wunderschönen aber kriptischen Schrift schwierig zu erlernen.


Weiter ging‘s per Minivan nach Myeik, wiederum eine von der Fischerei geprägte, sehr wuselige Hafenstadt. Wir haben es geliebt von der Dachterrasse unseres Hotels dem Treiben auf dem Wasser zuzuschauen und haben ausnahmslos sehr lecker und günstig Fisch und Meeresfrüchte schnabuliert.


Der Buddhismus ist sehr präsent in Myanmar. Zum einen durch die allgegenwärtigen Pagoden (man hat immer mindestens eine im Blickfeld), zum andern durch die hohe Anzahl an Mönchen und Nonnen. Von jedem Burmesen wird erwartet, dass er (mindestens) zwei Mal in seinem Leben eine Zeit im Kloster als Mönch lebt, einmal als Novize im Kindesalter, einmal als Erwachsener (wobei die Eltern beide Male den Zeitpunkt bestimmen). Die rot-orange wallenden Gewänder waren immer wieder ein Hingucker.


In Myeik hatten wir zudem das Glück ein Chinlone-Turnier zu sehen. In ganz Südostasien ist der Sport mit dem kleinen geflochtenen Ball, den Mann zu dritt pro Team auf einem Badminton-ähnlichen Feld hin- und herkickt, verbreitet. Doch nirgends haben wir so viele Männer Chinlone spielen sehen wie in Myanmar. Überall wurde auf teils sehr improvisierten Feldern (manchmal auch nur freundschaftlich im Kreis) und auf unterschiedlichen Niveaus gespielt. Hier gerieten wir unverhofft an ein professionelles Turnier in einer normalen Wohnstrasse. Das schnelle Spiel war äusserst akrobatisch und unterhaltsam, doch aufgrund der zahlreichen Unterstützer auch ohrenbetäubend. Solange Lou es zugelassen hat, haben wir gestaunt und waren immer wieder überrascht, wie es den Spielern gelang, nach den spektakulärsten Kicks auf den Beinen zu landen.


Zweihundert Kilometer weiter nördlich lag der nächste Stopp: Dawei. Eine nicht unbedingt sehenswerte Stadt, aber ein hervorragender Ausgangspunkt, um die Halbinsel mit ihren schönsten Stränden zu erkunden. Mit dem Roller haben wir menschenleere, feinsandige Strände besucht, sind geschwommen, haben frischen Fisch und feine Salate verspiesen. Urpsrünglich wollten wir von Dawei zurück nach Thailand (Dawei ist in etwa auf der Höhe von Bangkok). Aber da es uns in Myanmar so gut gefallen hat und wir vom langsamsten Zug der Welt weiter nördlich gehört haben, entschieden wir uns, noch ein paar Stationen in Myanmar zu besuchen.


Von Ye aus haben wir spektakuläre Tempelanlagen besichtigt und unser Zugabenteuer gestartet. Am Schienennetz sowie an den Zügen scheint, seit die Briten 1948 abgezogen sind, nichts mehr gemacht worden zu sein. Im Zug hat es gerüttelt, geschwankt und geholpert wie in einem Sturm auf hoher See – kein Wunder wenn man sich die Dellen in den Schienen anschaut. Sieben Stunden haben wir für die knapp 150 Kilometer nach Mawlamyine benötigt - „Tuddung, tuddung, tuddung“. Aber es war eine super schöne und tolle Fahrt mit vielen herzlichen Begegnungen, Komfort (wir waren nicht in der „Holzklasse“, sondern hatten gepolsterte Sitze) und fliegenden Händlern, die mit Essen und kühlem Bier für das Leibeswohl gesorgt haben. Dennoch haben wir uns just in diesem Moment mal wieder nach unseren Fahrrädern gesehnt, nach wie vor unsere liebste Fortbewegungsart. 


In Mawlamyine haben wir nur eine Nacht verbracht und sind dann weiter nach Hpa-An gereist. Dank Polarsteps haben wir gesehen, dass wir Jolien und Mirko, die von Thailand kamen, in Hpa-An treffen und so Jolien zu ihrem 30. Geburtstag überraschen können. Die Überraschung ist geglückt und wir haben zu fünft tolle letzte Tage in Myanmar verbracht. Die Landschaft hat sich hier deutlich geändert und es gab schöne Karstfelsen, saftige Reisfelder und grosse Höhlensysteme zu erkunden.


Über die streckenweise holprigste Strasse überhaupt sind wir nach Myawaddy an die Grenze zu Thailand gefahren. Wow, was für ein tolles Land! Ein Land mit unglaublich herzlichen und fröhlichen Menschen, viel Kultur, unerwartet leckeren Speisen, schöner Natur und wenig Touristen. Wir könnten hier noch viel hinzufügen, aber wir denken die Bilder sprechen für sich.


In diesem Sinne beste Grüsse von uns drei und bis bald!

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